Dr. Evelyn Veith Programm

Bildung als Instrument zur Verbesserung des Gemeinwohls

und der Chancengleichheit

 

 

Seit der Kolonialzeit leiden die Staaten Lateinamerikas an einer sozialen und vor allem geschlechtsspezifischen Kluft. Heute gehört die Region zwar nicht mehr zu den Ärmsten der Welt, aber doch laut internationalen Statistiken sehr wohl zu denen mit der höchsten Ungleichverteilung – der durchschnittliche Gini-Koeffizient beträgt 52,9 (zum Vergleich: Deutschland hat einen Koeffizienten von 28,3). Die Unabhängigkeitskriege haben den Weg geebnet für eine mächtige, wirtschaftliche und politische Elite, was erst recht nicht dazu beitrug, die enormen sozialen Unterschiede zu nivellieren. Heute leben fast 30 % der Bevölkerung (etwa 168 Millionen Menschen) an oder unter der Armutsgrenze. Auch wenn sich die sozialen Indikatoren nach und nach verbessern, bleibt die Armut dennoch bestehen.

 

In ländlichen Gegenden ist es üblich, dass die Mädchen später als die Jungen zur Schule gehenDie Ungleichheit ist nicht nur von wirtschaftlicher Relevanz, sondern bedingt auch eine weitere Konsequenz: den notorischen Mangel an Bildung. Dieses Problem ist allgegenwärtig in der lateinamerikanischen Gesellschaft und steigert noch zusätzlich die Asymmetrien, was sich insbesondere in der Beziehung zwischen Männern und Frauen bemerkbar macht. In ländlichen Gegenden ist es beispielsweise üblich, dass die Mädchen später als die Jungen zur Schule gehen und diese auch früher verlassen, weil sie zur Verrichtung von Hausarbeit und anderen familiären Tätigkeiten gezwungen werden.

 

Im makroökonomischen Sinne existiert eine klare Relation zwischen dem Bildungsniveau und der Einkommensverteilung, d.h. je höher die Schulbildung, desto höher das Einkommen. Eine Person, die lediglich die Pflichtschulzeit absolviert hat, ist somit automatisch weniger interessant auf dem Arbeitsmarkt als jemand, der über eine höhere Ausbildung verfügt, und zwar im besten Falle aus dem Bereich der Technik und der Wissenschaften. Obgleich die Eltern meist versuchen, ihren Töchtern wenigstens die Pflichtschulzeit zu ermöglichen, werden diese dennoch oft vorzeitig aus der Schule genommen, um in Haus und Hof mitzuarbeiten oder ein krankes Familienmitglied zu pflegen. Nicht selten werden die Eltern auch zu diesem Schritt bewegt aus Angst davor, dass das erlernte Wissen die Tochter dazu anstiften könnte, ihre häuslichen Pflichten zu vernachlässigen. Bildung wird also bei Frauen nicht als Investition betrachtet, wie das bei den Männern der Fall ist. In Bauernfamilien haben viele Mädchen oft nicht einmal eine Geburtsurkunde, was den Prozess der Einschulung zusätzlich hemmt.

 

Ein weiterer Grund, der den Mädchen in Lateinamerika den Zugang zur Bildung erschwert, ist der starke Einfluss fundamentalistisch-religiöser Überzeugungen, welche den sozialen und geistigen Aktionskreis der Frauen drastisch eingrenzen. Dies macht sich etwa bei der Berufswahl bemerkbar, wobei oft verhindert wird, dass die Töchter des Hauses technische Berufe erlernen. Solcherlei Einschränkungen führen häufig dazu, dass die jungen Frauen in der Hoffnung auf bessere Bildungschancen in andere Provinzen und Länder abwandern, was aber fast immer die traurige Konsequenz hat, dass sie sich in einer noch schlechteren Lage wiederfinden als in ihrer Heimat, mit unterbezahlten Gelegenheitsjobs und Erniedrigungen bis hin zur Prostitution.

 

 

Priorität des Dr. Evelyn Veith Programms ist es, den Mädchen in Lateinamerika einen besseren Zugang und eine höhere Qualität der Bildung zu ermöglichen und sich engagiert dafür einzusetzen, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, welche deren aktive Teilnahme am Bildungssystem beeinträchtigen. Im Gesamtkontext betrachtet soll in der von struktureller Armut geprägten Region durch eine qualitativ höherwertige Bildung gesteigerte Einkommensmöglichkeiten und eine Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Wohlstands erreicht werden.

 

Die Initiative zielt insbesondere darauf ab, Mädchen unter sechzehn Jahren beim Erwerb von Schulmaterial, mit Sprachkursen und weiteren Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten zu unterstützen und ihnen Sozialarbeiterinnen zur Verfügung zu stellen, die sie über ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt informieren, und zwar vor allem in Gebieten, die in dieser Hinsicht wenige Perspektiven bieten oder durch ein traditionell stark restriktives Gesellschaftssystem die intellektuelle und sozioökonomische Entwicklung der Frauen behindern.

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